Poesie



An einem Quell, der aus mir selbst entsprang,
Sang ich ein Lied für meine Dame Poesie.
Mit süßen Worten, lieblichem Gesang
Pries ich nur sie und immer sie.

Ich sang, wie sie in bitt’ren Stunden
Als guter Engel mir zur Seite stand,
Und wie ich mit mir selbst auch sie gefunden
Und sie dann später immer wieder fand

Nicht in den Tempeln hoher Musenkunst,
Sondern auf Straßen, die voll Hoffnung waren
Auf einen Sonnenstrahl im Dunst,
Im Staub von langen Wanderjahren.

Ich sang mein Lied, als gäb’ es keine Zeit.
Sekunden wurden Stunden, Stunden Jahre.
Und jeder Augenblick war Ewigkeit,
Und Wiege, Hochzeitsbett und Totenbahre

War’n eins in einem Leben wie ein Tag,
In einem Traum von Endlichkeit und Dauer.
Das Meer bleibt unberührt vom Wellenschlag
Des Seins, der Freude und der Trauer.

Ich sang mein Lied, mein Lied sang mich
Für meine Dame Poesie.
Nein, etwas sang, nicht ich, nicht ich!
So sang auf Erden nie

Ein Mensch. Nur Gottes Herrlichkeit
Kennt solche Harmonie.
Und SIEHRN* Gesang scholl hoch und weit
In der großen Sphärensymphonie.


(*geschlechtsneutrales Pronomen für Gott: Mischung aus „Sein“ und „Ihr“)

Aus der Gedichtsammlung „Du allein bist mein Gesang“